Geschichtliches zur WOBAG Niesky eG

17. Mai 1954 – Gründung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Niesky

Mit der Verordnung über die Finanzierung des Arbeiterwohnungsbaus wurde in der DDR die Grundlage zur Bildung der AWG geschaffen. Rechtzeitig wurde in Niesky mit der Umsetzung dieser Verordnung begonnen.

Eine Reihe von Diskussionen, Aussprachen und Beratungen mit Interessenten machten sich in Vorbereitung der Gründungsversammlung in den Monaten März bis Mai 1954 erforderlich, um die vorhandene Skepsis, das Misstrauen und die Glaubhaftigkeit gegenüber der neuen Form des Wohnungsbaus zu überwinden. Die Skepsis wurde dadurch genährt, dass durch die Kriegswirren zahlreiche Genossenschaften zerschlagen wurden. Nach vielen Gesprächsrunden gelang es die notwendige Anzahl von mindestens 20 Bewerbern zu gewinnen.

So trafen sich am 17. Mai 1954 im Gasthaus „Deutscher Hof“ in Niesky 37 Arbeiter und Angestellte, vorwiegend aus dem Großbetrieb VEB Waggonbau Niesky um die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Niesky (AWG Niesky) zu gründen.

Als Gäste konnten der Vorsitzende des Rates des Kreises Niesky, Herr Freitag, und der Abteilungsleiter der Abteilung Arbeit und Berufsausbildung des Rates des Kreises Niesky, Herr Weinhold, begrüßt werden.

Durch den Vorsitzenden des Rates des Kreises wurde ausgeführt, dass mit der Gründung der AWG die Grundlagen für die Lösung des Wohnungsproblems in der Stadt Niesky geschaffen werden und er wünschte der neu gegründeten Genossenschaft alles Gute.

Das neue Statut wurde nach eingehender Diskussion unter Einbeziehung gemachter Änderungsvorschläge einstimmig beschlossen und zur Registrierung beim Rat des Bezirkes Dresden eingereicht.

Bereits am 25. Mai wurde die Gründung durch den Rat des Bezirkes Dresden bestätigt und am 6. Juli 1954 traf in Niesky der Zulassungsbescheid ein (Zulassungs-Nr. 6 54).
In der Gründungsversammlung wurden die Organe der Genossenschaft gewählt.

Erster Vorsitzender der Genossenschaft wurde unser unvergessener Herrmann Schlums.Als Stellvertreter wurde gewählt: Paul Dorn. Schriftführer wurde Siegfried  Wagner.
Weitere Mitglieder des Vorstandes waren  Alfred Oertel und Karl Reichelt.

Die ersten Häuser entstehen

Bereits vor der Gründung der Genossenschaft wurden die Vorbereitungen für den Bau der ersten Wohnungen begonnen.

Nachdem geklärt wurde, dass zunächst mit dem Bau von Reihenhäusern a 4 bzw. 6 WE der Typen AR 32 (2 ½ -Raumwohnungen mit 69 m² Wohnfläche) und AR 511 (2 3/2 -Raumwohnungen mit 82 m² Wohnfläche) begonnen werden sollte, ging es an die konkreten Vorbereitungen.

Die ersten 4 Wohnhäuser entstanden an der Blockhausstraße und der Straße des Friedens. Es wurde festgelegt, dass durch jeden Bewerber neben dem finanziellen Beitrag von 2.500,00 Mark (damals eine erhebliche Summe) noch 1000 Stunden manuelle Arbeitsleistungen zu erbringen waren. Gleichzeitig einigte man sich darauf, dass die Vergabe der Wohnungen nach der Anzahl der geleisteten Stunden erfolgen sollte.

Eine Ausnahme gestattete man nur dadurch, dass die ersten 6 WE an die ältesten Mitglieder, die auf Grund ihres Alters nicht in der Lage waren, kurzfristig die notwendigen Stunden zu leisten, vergeben werden sollten.

Schon am 31. Juli 1954 wurde durch den damaligen Vorsitzenden des Rates des Kreises, Herrn Freitag, der erste Spatenstich an der Blockhausstraße vollzogen. Freitag förderte die AWG nach besten Kräften und sagte den Anwesenden an diesem historischen Tag: „Auf die Beine will ich Euch helfen, aber kämpfen müsst ihr allein“. Und das haben die Veteranen der ersten Stunde zur Genüge getan.

Herrmann Schlums, unser verdienstvoller erster Vorsitzender der Genossenschaft schrieb im Dezember 1954 in der Betriebszeitung des Waggonbau Niesky unter anderem:
„Kollegen! Ihr müsst euch mal ansehen, mit welcher Begeisterung unsere Genossenschafter ans Werk gehen, mit Frau und Kind sind Sie in jeder freien Minute an der Arbeit.
Es ist uns gelungen, obwohl unser Kreisbetrieb bis jetzt nicht in der Lage war, das für uns bestimmte Transportband umzusetzen, in den ersten zwei Wochen über 500 m³ Keller mit Hand auszuschachten.

Trotzdem haben wir noch große Sorgen. Bei Ankunft des Ziegelautos ist es zum Beispiel sehr schwer, immer Leute auf der Baustelle zu haben, da dieser Zeitpunkt in den meisten Fällen in der Arbeitszeit liegt.“ (Anmerkung: Die Transporte mussten per Hand auf- und abgeladen werden)

Auf dem ersten Baugelände standen damals Baracken, (erbaut von der Fa. Christoph und Unmack für Belegschaftsangehörige) sie waren das Zuhause für viele Familien.
In diesem Viertel an der Blockhausstraße nahm das Baugeschehen seinen Anfang. Hier begann die Geschichte unserer Genossenschaft.

Die Arbeitsbedingungen damals waren schwer:

  • Handschachtung der Baugrube, Spaten, Schaufel und Spitzhacke waren vorerst die einzigen Arbeitsgeräte und waren außerdem persönliches Eigentum der Genossenschafter.
  • Abtransport der Ausschachtungsmassen mit einer Feldbahnlore (Förderbänder gab es erst viel später)
  • Selbstanfertigung der Hohlblocksteine, da es kein bzw. nicht genügend Baumaterial gab.
  • Bewachen der Baustelle und des kostbaren Baumaterials rund um die Uhr (auch an Sonn- und Feiertagen) durch die Mitglieder und ihre Familienangehörigen.

Trotz dieser schweren Bedingungen ging der Bau der ersten Häuser zügig voran.

Ende November 1955 fehlte nur noch der Anschluss der Sanitäranlagen an das öffentliche Netz. Trotzdem zogen die ersten Genossenschafter in die Wohnungen ein. Sie wollten Weihnachten 1955 in ihrer ersten eigenen Wohnung verbringen. Als Provisorium wurde ein umhauster „Donnerbalken“ im Garten aufgestellt und die ersten Wochen benutzt.

Das Wasch- und Badewasser musste aufgefangen werden, da die Abflussleitungen noch nicht intakt waren. Weitere Reihenhäuser und Geschoßbauten folgten in Niesky und Uhsmannsdorf. So entstanden bis Ende 1961 insgesamt 266 Wohnungen in Ziegelbauweise. Mit viel Initiative und Liebe zur Sache legten die Bewohner selbst mit Hand an und gestalteten auf eigene Kosten das Umfeld fast so wie es sich heute noch darstellt.

Weitere Wohnungsbaustandorte folgen

In den Jahren 1961 bis 1963 wurden die ersten 4 Wohnblöcke in Großblockbauweise ,Wohnungstyp IW 61 auf dem ehemaligen Gartengelände der Brüdergemeine gebaut.
Laut Plan waren 51 Zweiraumwohnungen und 51 2 ½ -Raumwohnungen zu bauen.

Auf Grund der Familiengröße einiger Familien wurden 8 Wohnungen umprojektiert. Dadurch entstanden 4 Einraumwohnungen und  4   3 ½-Raumwohnungen.
Baubeginn war der Februar 1961.

Da zu diesem Zeitpunkt keine Bauelemente für die Keller zu beschaffen waren, wurden die ersten Keller auf Anordnung des Bezirksbauamtes gemauert. Dabei wurden die Arbeiten durch auftretendes Oberflächenwasser erschwert.

Die Arbeiten liefen planmäßig bis wieder mal eine „Anordnung von oben“ den Baubetrieb  VEB Bau Löbau durch den VEB Bau Görlitz ersetzte. Dadurch trat eine Bauverzögerung von ca. 9 Monaten ein.

Wie zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich, traten enorme Materialschwierigkeiten ein. So fehlte für den Betrieb des Baukranes ein 50 kW-Kabel, welches mit großen Anstrengungen  aus Gera beschafft werden konnte.

Danach liefen die Arbeiten trotz großer Probleme einigermaßen planmäßig, so dass der Bezug der ersten 60 Wohnungen in der Zeit vom 15.10.1962 bis 15.12.1962 weiterer 12 WE am 01.01.1963 und der restlichen 30 WE am 15.08.1963 erfolgen konnte.

Die Wohnungen hatten für die damalige Zeit einen guten Standard. Sie waren mit Einbauküchen (Spüle plus Wandschränke) ausgestattet und die 2 ½ Raum-wohnungen verfügten über einen Balkon. Wiederum konnte für 102 Familien aus Niesky und Umgebung ihr Wohnungsproblem gelöst werden.

Danach folgten in den Jahren 1964-1968   144 Wohnungen auf dem Standort Gerichtsstraße. Während bei den ersten beiden Blöcken Gerichtsstraße 14 – 24 und 27 – 33 nur die 2 ½ Raumwohnungen mit Balkon ausgestattet waren, wurden bei den nächsten 2 Blöcken erstmalig auch die 2-Raumwohnungen mit Balkonen ausgeführt. Nach Fertigstellung dieser Wohnungen folgte eine angeordnete Bau- und Mitgliedersperre.

Um diese Sperre zu umgehen, wurde eine „Registrierliste“ angelegt, um die staatlichen Organe, die die Entscheidungen über weitere Bauten trafen, zu überzeugen, dass in Niesky weiterer Wohnungsbau erforderlich ist. Binnen kurzem wurden 153 Bewerber registriert.

Nicht zuletzt dadurch und durch den Druck von unten durften wir 1974 weiterbauen.

Nun entstanden 80 Wohnungen am Standort Pestalozzistraße. Diese Wohnungen wurden in Ziegelmauerwerk als Lehrlingsbauten errichtet. Während der Block Pestalozzistraße 4 – 14 mit großzügigen Loggien ausgelegt wurde, verzichtete man beim nächsten Wohnblock zugunsten größerer Wohnzimmer darauf.

1977/78 wurden weitere 124 Wohnungen auf  dem Standort Sonnenweg/Rosenstraße/Konrad-Wachsmann-Straße gebaut.

1980/84 bekamen wir dann auch die ersten 170 fernbeheizten Wohnungen am Standort Ringstraße/Ödernitzer Straße. Für Niesky war dies ein enormer Fortschritt.

Den Abschluss der Baumaßnahmen bildeten 1986/87   80 Wohnungen am Standort Richard-Neumann-Straße. Nun verfügte unsere Genossenschaft über 962 Wohnungen in Niesky und Uhsmannsdorf, davon waren 170 fernbeheizt (17,7 %), 80 mit Forster-Etagenheizung  (8,3 %) und der Rest von 712 Wohnungen (74 %) mit Kohle beheizt.

Die Wende

Mit dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 trat auch für unsere Genossenschaft eine neue Situation ein.

Im August 1990 beschloss die erste frei gewählte Regierung der DDR die Verordnung über die Wohnungsgenossenschaften der DDR. Dieses Gesetz regelte, dass aus dem Musterstatut der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften und der ehemals gemeinnützigen Wohnungsbau-genossenschaften alle Formulierungen, die staatliche Reglementierungen beinhalteten, entfernt wurden.
Bis Ende 1990 waren von den Mitgliedern neue, auf dem Genossenschaftsgesetz basierende Statuten zu beschließen.
Für unsere Genossenschaft erfolgte am 22. November 1990 im großen Saal des Kreiskulturhauses Niesky die Mitgliederversammlung, auf welcher die neue Satzung beschlossen und die Organe der Genossenschaft gewählt wurden.
An dieser Mitgliederversammlung nahmen über 300 Mitglieder teil.
Als Gast konnten wir Herrn Peter Hoffmann, Vorstandsvorsitzender unserer Partnergenossen-schaft aus Bensheim begrüßen.
Die Anwesenheit des Herrn Hoffmann war für uns eine große Hilfe, da er mit seinem Wissen und seiner Erfahrung die zahlreichen Fragen unserer Mitglieder, die im Zusammenhang mit der neuen Satzung aufgetreten sind, umfangreich beantworten konnte.
Für unsere Mitglieder war alles Neuland.

Fragen wie „Was ist ein Aufsichtsrat?“
„Welche Aufgaben hat er?“,
„Welche Aufgaben hat die Mitgliederversammlung?“,
„Welche Aufgaben hat der Vorstand?“,

wurden intensiv beraten und abschließend geklärt.

Das kam im überzeugenden Abstimmungsergebnis zum Ausdruck, wo bei Null Gegenstimmen und nur zwei Stimmenthaltungen die Satzung einstimmig beschlossen wurde.
Anschließend wurden die Mitglieder des Aufsichtsrates der Genossenschaft gewählt. Dabei stellten sich fünf Kandidaten zur Wahl. Diese fünf Kandidaten wurden ebenfalls mit überzeugenden Mehrheiten gewählt.

Es waren dies:

  • Herr Helmut Kern
  • Herr Wolfgang Rückert
  • Herr Karl-Heinz Preuß
  • Herr Joachim Schöneich
  • Frau Margot Kaiser

Damit waren die Grundlagen dafür geschaffen, dass unsere Genossenschaft die Satzung beim Registergericht Dresden zur Eintragung anmelden konnte. Vorher wurde durch den Aufsichtsrat in seiner ersten Sitzung als Vorsitzender gewählt: Herr Helmut Kern, als Stellvertreter: Herr Joachim Schöneich und als Schriftführerin: Frau Margot Kaiser.

Der Aufsichtsrat bestätigte in seiner ersten Sitzung Herrn Dieter Dörner und Herrn Klaus Kopke, als Mitglieder des Vorstandes.
Der Antrag an das Amtsgericht Dresden zur Eintragung ins Genossenschaftsregister wurde unverzüglich gestellt und am 23. September 1991 erfolgte unter der Nummer Gn R 56 die Eintragung ins Register.

Vor dem neuen Vorstand und dem neuen Aufsichtsrat standen umfangreiche Aufgaben.

Zuerst galt es, die Genossenschaft finanziell zu konsolidieren und auf gesunde Füße zu stellen. Dazu war es notwendig, die Nutzungsentgelte zu erhöhen.

Auf der Grundlage der ersten Grundmietenverordnung konnte ab 1. Oktober 1991 ein höchst-zulässiger Mietzins von 1,00 DM je m² Wohnfläche sowie ein Zuschlag von 0,15 DM/m² für Ausstattung von Wohnungen mit Bad und Zentralheizung berechnet werden.

Mit der Verordnung über die Umlage von Betriebkosten auf die Mieter (Betriebskostenumlage-verordnung), wurde die Grundlage geschaffen, wonach angemessene Vorauszahlungen für Betriebskosten erhoben werden konnten.

Die bisherige Inklusivmiete, welche Betriebskosten beinhaltete, wurde somit durch die Grundmiete, die wir heute als Nettokaltmiete bezeichnen, plus die Betriebskosten abgelöst.
Mit der 2. Grundmietenverordnung vom 27. Juli 1992 war es möglich, die Grundmiete ab

1. Januar 1993 um weitere 1,20 DM je m² Wohnfläche zu erhöhen. Durch weitere Zuschläge für Ausstattungsmerkmale der Wohnung auf Grund der Beschaffenheit des Wohngebäudes zum
1. Januar 1994 trat eine weitere Konsolidierung ein.

Die politische Wende zum wiedervereinigten Deutschland bedeutete für die Wohnungs-genossenschaften eine Rückbesinnung auf die Idee der Selbstverwaltung. Statt planwirtschaftlicher Vorgaben der staatlichen Verwaltung umzusetzen ging es jetzt darum, die Geschicke der Genossenschaften wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Seit dem 01.01.2005 leitet Herr André Müller als Geschäftsführender Vorstand erfolgreich die Wohnungsbaugenossenschaft Niesky eG. Aktuell stehen ihm hierbei Herr Klaus Kopke und Herr Bernd Konietzka als vertretungsberichtigte Vorstände ehrenamtlich zur Seite.

Die WOBAG investiert bis heute in den bestehenden Bestand, um den Mietern die Wohnungen und das Wohnen so angenehm wie möglich zu gestalten. Ein zunehmender Anteil von Wohnungen wird seniorenfreundlich umgebaut und Hilfsmittel, welche den Alltag erleichtern, zur Verfügung gestellt.

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